Wahrnehmung unternehmerischer Sorgfaltspflichten

In diesem Infotext fokussieren wir uns auf die Lieferkette und die Wahrnehmung unternehmerischer Sorgfaltspflichten in Bezug auf diese.

Hersteller*innen von Bekleidung stellen heutzutage sehr selten alles direkt selbst her. Stattdessen arbeiten sie mit anderen Unternehmen, Lieferanten*innen, zusammen, um Produkte herzustellen oder Dienstleistungen anzubieten. In der Textilindustrie erfolgt diese Zusammenarbeit regelmäßig über Ländergrenzen und Kontinente hinweg. In Teilen bringt dies Herausforderungen mit sich, wie die bisweilen schwer zu kontrollierende Einhaltung von Umwelt- und/oder Sozialstandards. Im Folgenden soll daher überblicksartig erörtert werden, wie Unternehmen versuchen, ihre Wertschöpfungsketten nicht nur ökonomisch, sondern auch sozial und ökologisch zu gestalten. Das bedeutet, dass sie sicherstellen wollen, dass ihre Lieferant*innen unter anderem faire Arbeitsbedingungen bieten und Umweltstandards einhalten.

In der Regel ist die Beschaffung/der Einkauf eine wichtige Abteilung innerhalb eines Unternehmens. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, alle Waren und Dienstleistungen zu beschaffen, die das Unternehmen für die Herstellung seiner Produkte oder die Erbringung seiner Dienstleistungen benötigt. Um das besser zu verstehen, betrachten wir die Lieferkette, wie sie von Mentzer et al. (2001) beschrieben wird. Eine Lieferkette eines Unternehmens besteht aus zahlreichen Akteuren wie Lieferanten von Produkten und Dienstleistungen und Transport- und Logistikdienstleistern. Diese können eine direkte Vertragsbeziehung mit einem Unternehmen haben oder über Zwischenlieferant*innen in indirekter Beziehung zum Unternehmen stehen. Dazu gehören auch finanzielle Transaktionen wie die Bezahlung der Lieferant*innen sowie der Austausch von Informationen über die gewünschten Produkteigenschaften.

Arnold (1997) hat die Aufgabe der Beschaffung folgendermaßen definiert: Alle unternehmens- oder marktbezogenen Aktivitäten, die darauf abzielen, einem Unternehmen die benötigten Objekte zur Verfügung zu stellen, die es nicht selbst herstellt." (Arnold, 1997, S. 3). 

Das bedeutet, dass die Beschaffung/der Einkauf sicherstellt, dass das Unternehmen alles hat, was es braucht, auch wenn es nicht alles selbst herstellt. 

Im Bereich des nachhaltigen Lieferkettenmanagements werden oft bestimmte Unternehmen, sogenannte fokale Unternehmen (Seuring, Müller, Schwarzkopf, 2022), in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, besonders wenn es um negative Auswirkungen geht. Diese Unternehmen sind in der Regel diejenigen, die die gesamte Lieferkette in einem weitreichenden Sinne verwalten. 

Man schreibt diesen fokalen Unternehmen oft zu, dass sie maßgeblichen Einfluss auf das Geschehen in der Lieferkette haben und daher eine besondere Verantwortung tragen. Da sie in der Regel die direkte Verbindung zu den Endverbraucher*innen stellen, haben sie auch eine größere öffentliche Präsenz und werden im Hinblick auf die Einhaltung von Standards und ethischen Praktiken stärker beobachtet.

Auch aufgrund von zahlreich berichteten Missständen in globalen Lieferketten hat die Anzahl der regulatorischen Vorgaben in den letzten Jahren stetig zugenommen (Grabosch, 2019). Diese Vorgaben variieren sowohl hinsichtlich der betroffenen Unternehmen – basierend auf Kriterien wie Größe oder Standort – als auch im Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen an die umzusetzenden Sorgfaltsplichten. Ein Beispiel hierfür ist das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Dieses umfasst eine breite Palette von Menschenrechtsaspekten und berücksichtigt auch Umweltbelange. 

Das Gesetz legt zunächst für in Deutschland ansässige Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitenden Verpflichtungen fest, die sich auf deren menschenrechtliche Verantwortung und Sorgfaltspflicht im eigenen Geschäftsbereich sowie in ihren Lieferketten beziehen. Es macht Vorgaben für die Unternehmen zur Umsetzung von definierten Sorgfaltspflichten, unter anderem:


  • Einrichtung eines Risikomanagements und Durchführung einer Risikoanalyse
  • Verabschiedung einer Grundsatzerklärung zur unternehmerischen Menschenrechtsstrategie
  • Integration von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber direkten Zuliefernden
  • Sofortiges Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen
  • Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens im Falle von Rechtsverstößen
  • Dokumentations- und Berichtspflicht zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten


Es ist wichtig zu betonen, dass, obwohl das Gesetz hauptsächlich im Kontext der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Bezug auf Menschenrechte in Lieferketten diskutiert wird, es sich explizit auch auf die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht von Unternehmen und ihren Mitarbeitenden in Deutschland sowie an unternehmenseigenen Standorten im Ausland bezieht.

Eine kurze Zusammenfassung zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) bietet das folgende Video der Bundesregierung: 

Bundesministerium für Arbeit und Soziales


  • Der Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung hält unter https://wirtschaft-entwicklung.de/wirtschaft-menschenrechte/ zahlreiche aktuelle Informationen rund um das Thema unternehmerischer Sorgfaltspflichten und insbesondere auch zu gesetzlichen Anforderungen bereit. Hier können sich Unternehmen darüber hinaus auch kostenlos zu diesen Themen beraten lassen.
  • Das Global Compact Netzwerk bietet ein breites Angebot für Unternehmen, die die menschenrechtlichen Auswirkungen ihrer jeweiligen Aktivitäten und Lieferketten verstehen möchten. Online abrufbar.
  • Das Bayerische Landesamt für Umwelt bietet ein „StarterKit Nachhaltige Lieferketten“ an, welches auch einzelne Prozessschritte erläutert. Online abrufbar.
  • Die Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte bilden eine Art Grundsatzdokument für die Wahrnehmung unternehmerischer Sorgfaltspflichten und können hier eingesehen werden. Online abrufbar.
  • Sassen, Remmer (Hrsg.) (2023). Nachhaltigkeitsmanagement kompakt. Normative und regulative Anforderungen sowie erste Schritte zur Implementierung nachhaltiger Prozesse und Strategien im Unternehmen. München: Verlag Franz Vahlen. ISBN 9878-3-8006-7135-9
  • Wer tiefer einsteigen möchte, findet beim Global Compact Netzwerk Deutschland ein umfangreiches Webinar zum Thema „Menschenrechtliche Sorgfalt“​. Online abrufbar.
  • Seuring, Stefan; Müller, Martin; Schwarzkopf, Julia (2022). Nachhaltiges Management von Wertschöpfungsketten. In Annett Baumast, Jens Pape (Hrsg.), Betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement. Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer, S. 360-380.
  • Müller, Martin; Siakala, Sara (2019). Nachhaltiges Lieferkettenmanagement: Von der Strategie zur Umsetzung,  De Gruyter Oldenbourg, ISBN 978-3110648430
  • Arnold, U. (1997). Strategisches Beschaffungsmanagement. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
  • Mentzer, J.T.; DeWitt, W.; Keebler, J.S. et al. (2001). Defining Supply Chain Management. Journal of Business Logistics, 22(2), S. 1-26.
  • Grabosch, R. (2019). Unternehmen und Menschenrechte. Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung. Online abrufbar. (27.08.2021).