Alttextilien und Textilrecycling

Die Bekleidungsbranche wird durch Megatrends wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Globalisierung angetrieben. Diese Megatrends bewirken einen Wandel der Branche, indem sie jahrzehntelange und allgegenwärtige Veränderungen sind, die sich weltweit auf die gesamte Gesellschaft, politische Systeme und die Wirtschaft auswirken. (Zukunftsinstitut GmbH 2021) Es gibt viele verschiedene ökonomische, ökologische und soziale Aspekte, die bei einem zukünftigen, nachhaltigen Wandel der Bekleidungsproduktion berücksichtigt werden müssen. In Hinblick auf das Textilrecycling im Kontext einer Kreislaufwirtschaft müssen Unternehmen, die Bekleidung auf den Markt bringen und an die Konsument*innen bringen, die Verantwortung der Umweltverträglichkeit dieser Produkte sowohl vor, während als auch nach der Nutzungsphase wahrnehmen. Entscheidungen, die zu Beginn der Produktentwicklung getroffen werden, wirken sich erheblich auf den Lebenszyklus eines jeden Bekleidungsproduktes aus.


Die Bekleidungsbranche gilt durch ihre Produktionsprozesse und dem damit einhergehenden Ressourceneinsatz als eine der abfallintensivsten und umweltschädlichsten der Welt. (vgl. Textilbündnis 2023) Zusätzlich werden allein in Deutschland jährlich circa 1 Millionen Tonnen Alttextilien gesammelt und dementsprechend von den Nutzern am Ende der vermeintlichen Nutzungsphase entsorgt. Die Entscheidung der Nutzer*innen ein Bekleidungsstück zu entsorgen bedeutet nicht unbedingt, dass das reale Produktlebensende erreicht ist und dieses nicht mehr verwend- oder verwertbar ist. (vgl. Fairwertung 2022) 


In Deutschland ist der Umgang mit Alttextilien im Kreislaufwirtschaftsgesetzt (nachfolgend KrWG) geregelt. Der Kerngedanke der Kreislaufwirtschaft ist die mehrmalige Verwendung von Produkten, Materialien und Ressourcen. Ressourcen sind Bestände an Mitteln und Materialien, die zum Erreichen eines bestimmten Zwecks dienen. Nicht mehr zweckgerichtete Materialien oder Produkte wie etwa Alttextilien dienen als Ressource für weitere Produktions- oder Verwendungsprozesse. Auf diese Weise soll der Einsatz von neuen Rohstoffen (in der Bekleidung bspw. neue Materialien wie Baumwolle oder Polyester) vermindert und das Abfallaufkommen vermieden werden. Dieses zirkuläre System steht im Gegensatz zu dem gegenwärtig vorherrschenden Prinzip der Linearwirtschaft. Im KrWG gibt es eine sogenannte Abfallhierarchie, die den Umgang mit Abfällen beschreibt und nachfolgend abgebildet ist. (vgl. KrWG 2012) Die erste und bedeutendste Stufe ist die der Vermeidung von Abfällen entlang des gesamten Produktlebens, gefolgt von deren Wiederverwendung. Durch die Stufe der Wiederverwendung werden Produktkreisläufe durch die Verlängerung der Nutzungsdauer gesetzlich initiiert. Die Wiederverwendung beschreibt die Verlängerung der Nutzungsphase durch eine erneute Nutzung des Produktes zum gleichen Zweck. Ein Bekleidungsteil wie bspw. eine Jacke wird weiterhin als Jacke getragen und zirkuliert auf dem Secondhand-Markt. In der Bekleidungsbranche wird somit eine erneute Abwicklung der textilen Kette verhindert. Das Recycling schließt direkt an diese Stufe an. Es beschreibt hier Verwertungsmöglichkeiten, die eine Umwandlung von Abfällen zu neuen Materialien oder Produkten des gleichen oder eines anderen Zwecks ermöglichen. Die Abfallhierarchie stimmt mit den Anforderungen des Ziels Nachhaltig Produzieren und Konsumieren der SDGs überein. Ein konkretes Beispiel ist hier die Vermeidung, Wiederverwendung und das Recycling von Abfällen bis 2030. Im Modul Einstieg in: Sustainable Development Goals (SDGs) findest du weitere Informationen zu allen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. 


Gesetzlich gesehen wird es auch zukünftig viele Veränderungen geben, welche die Verlängerung der Nutzungsphase von Bekleidung sowie eine Kreislaufwirtschaft inkl. dem Recycling fokussieren. Dazu zählen bspw. die EU-Textil-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien inklusive der Ökodesign-Richtlinie und die Getrenntsammlungspflicht von Alttextilien. 

Es gibt verschiedene Recyclingverfahren, die sich je nach dem zu recycelnden Rohstoff unterscheiden. Baumwollfasern werden bspw. meist in einem mechanischen Recyclingverfahren zerrissen und einfach erklärt wieder zu neuen Baumwollfäden zur Textilproduktion versponnen. Synthetische Fasern wie etwa Polyester können durch chemische und thermische Prozesse recycelt werden. Polyester ist im Vergleich zu anderen Faserrohstoffen durch eine gute Recyclingfähigkeit gekennzeichnet. Durch seine Thermoplastizität sind physikalische Formgebungsprozesse reversibel. Wenn sortenreine Polyester-Produkte vorliegen, dann können diese mit nahezu gleichbleibender Qualität wiederverwertet werden. Bei der Wiederverwertung kommt es zum Auflösen der Produktgestalt, um das bestehende Material zu regenerieren und wieder für das gleiche Produkt zu verwerten, es handelt sich um ein Faser-zu-Faser-Recycling.  Polyester eignet sich besonders für ein sogenanntes Mono-Material-Konzept, da neben Textilien auch technische Zutaten aus diesem Rohstoff hergestellt werden. Zutaten wie Reißverschlüsse sind sogar bereits aus recyceltem Polyester für den Einsatz in der Bekleidungsindustrie am Markt verfügbar. Nichttextile technische Zutaten, wie Etiketten und Reißverschlüsse, die in Kleidungsstücken verwendet werden, können sich negativ auf den Textilrecycling-Prozess auswirken und stellen Störfaktoren dar. Baumwolle und Polyester sind die heutzutage vorwiegend verwendeten Fasermaterialien zur Bekleidungsherstellung, oftmals werden sie auch als Fasermischung miteinander kombiniert. Die Anforderungen an die Eigenschaften und Effekte eines Textils, werden sowohl durch Fasermischungen als auch durch chemische und physikalische Modifikation im Sinne der Textilveredlung, etwa Färbungen, realisiert. Nicht nur der Einsatz von Chemikalien, sondern auch die große Vielfalt dieser stellt sich als Problem dar. Neben der Veredlung werden sie u. a. auch als Hilfsstoffe eingesetzt, um den Herstellungsprozess von Textilien zu erleichtern. Im Sinne des kreisläufigen Wirtschaftens muss die Verwendung umwelt- und gesundheitsschädlicher Chemikalien, bspw. krebserregender Substanzen, stets vermieden werden. Sie beeinträchtigen darüber hinaus den Textilrecycling-Prozess. Der Chemikalieneinsatz ist in der EU durch die sogenannte REACH-Verordnung reguliert. 


Herauszufinden aus welchem Faserrohstoff Textilien bestehen kann eine Herausforderung darstellen, wenn bspw. das Etikett mit der Textilkennzeichnung bereits aus dem Bekleidungsteil herausgeschnitten wurde. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft muss der Einsatz von recyclingfähigen und recycelten Materialien zur Bekleidungsproduktion gesteigert werden. Beim Einsatz von recycelten Materialien sollte darauf geachtet werden, dass diese mit dem Global Recycled Standard (GRS) zertifiziert sind. Um ein Produkt mit dem GRS-Logo zu versehen, muss es mindestens 50 Prozent Recyclingmaterial enthalten. Mehr Infos zu diesem und anderen Textilzertifikaten findest du im Modul Textilsiegel.


Das Recyclingsverfahren orientiert sich an der Entwicklung, Herstellung und Nutzung von den Bekleidungsprodukten. Diese Prozesse wiederum müssen das anschließende Recycling berücksichtigen, sprich bereits bei der Produktentwicklung müssen aus Sicht eines geeigneten Recyclingverfahrens agiert und Design- und Produktentwicklungsentscheidungen getroffen werden. Die Gestaltung recyclingfähiger Produkte muss zunehmen. Die Recyclingfähigkeit kann durch den Einsatz von einer geringen Anzahl an Materialien oder gar Mono-Materialien und das gleichzeitige Vermeiden des Einsatzes von Mischfasern erreicht werden. Beim Mono-Material-Einsatz stellt der Fasereinsatz häufig einen Konflikt zu der Produktqualität, bspw. der Haptik oder Haltbarkeit, dar. Mono-Material bedeutet, dass ein Bekleidungsprodukt mit all seinen Komponenten und Zutaten bspw. ausschließlich aus Baumwolle oder anderen Zellulosefasern besteht. Durch den Einsatz von Fasermischungen soll u. a. die Haltbarkeit eines Bekleidungsteils erhöht werden. Fasermischungen in Textilien können sehr komplex sein und aus vielen verschiedenen Komponenten bestehen. Die Sortenreinheit eines Mono-Materials kann bereits durch die Beimischung elastischer Garne, etwa in elastischen Bündchen eines Bekleidungsteils, zunichtegemacht werden. (Weitere Informationen zu Zielkonflikten bei der Materialauswahl und Funktion von Bekleidung findest du im Modul Nachhaltige Regenjacke im Bereich Ausbildungsbetrieb unter dem Arbeitsauftrag Diskussion von Zielkonflikten.)



Auch der Markt mit Altkleidung beziehungsweise gebrauchter Bekleidung unterliegt aufgrund eines wachsenden Altkleideraufkommens, Änderungen in der Gesetzeslage sowie der Entwicklung zu parallelen Geschäfts- und Konsummodellen starken Veränderungen. Vor dem Hintergrund der ökologischen Nachhaltigkeit rücken die Aspekte der Qualität, Langlebigkeit und Haltbarkeit von Bekleidungsteilen in den Fokus. Damit Bekleidungsteile mehrere Nutzungszyklen getragen werden können, müssen diese langlebig und haltbar gestaltet sein. Aber auch durch die Instandhaltung der Produkte während der Nutzungsphase durch das eigene Trage- und Pflegeverhalten kann die Nutzung im Sinne der Kreislaufwirtschaft verlängert werden. Im Modul Wäschepflege und Pflegesymbole  findest du hierzu weitere Informationen.


Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell im Sinne der Kreislaufwirtschaft mit gebrauchter Bekleidung aufbauen, reichen von klassischen Altkleidersammel- und sortierunternehmen über stationäre Secondhandgeschäfte bis hin zu Online-Secondhand-Plattformen als Weiterverkaufskonzepte zur Stärkung der Wiederverwendung und Miet- und Leasingunternehmen, welche Verleihkonzepte für Bekleidung anbieten. Diese Unternehmen haben gemeinsam, dass eine umfangreiche Gebrauchswertprüfung aufgrund von fehlendem Wissen über die Herstellungs- und Nutzungsphase nicht möglich ist. Gleichzeitig ist der Zustand eines Produktes von Bedeutung für die weitere Vermarktung bspw. eben über Wiederverkaufsplattformen. Es gibt Bekleidungsunternehmen, die ihre eigenen, genutzten Bekleidungsteile oder auch die anderer Hersteller zurücknehmen und auf eigenen Secondhandflächen oder auf Onlineplattformen wiederverkaufen.  Zur Qualitätssicherung und damit Förderung des Marktes mit Altkleidern, für eine transparente Kommunikation der Unternehmen und zur Stärkung des Vertrauens von Konsument*innen in gebrauchte Bekleidung bedarf es bspw. auch einer Untersuchungsmethode zur Bewertung des Zustands von gebrauchter Bekleidung. 


Alttextilien werden durch die Sortierung einem der möglichen Verwertungswege zugeordnet. Bei der Sortierung wird in Anforderungskategorien des Secondhand-Marktes und der Textilrecyclingunternehmen unterschieden. Die Sortierkriterien sind u. a. folgende: der Zustand, das Fasermaterial, die Farbe, aber auch Faktoren wie die textile Flächenkonstruktion (etwa Gewebe, Gestrick oder Vlies). Die Aussortierung gut erhaltener und tragbarer Kleidung für den Secondhand-Markt und die Sortierung dieser bspw. nach Produktgruppen wie Jacke oder Hose ist bislang nicht durch Maschinen umsetzbar. Die Sortierung findet aktuell manuell statt und basiert auf dem optischen Eindruck durch den Sehsinn im Zusammenspiel mit dem Tast- und Geruchssinn der sortierenden Person. Die Sortierung in Fraktionen, sprich in bestimmte Kategorien entscheidet über den weiteren Verwertungsweg, hier findet die eigentliche Wertschöpfung statt. Der Chemikaliengehalt innerhalb eines Textils kann durch die manuelle Sortierung nicht erfasst werden, aber wie zuvor beschrieben den anschließenden Recyclingprozess stören.


Im Bereich der Sortierung insbesondere der Fasererkennung wird aktuell und zukünftig viel geforscht. In der Erkennung der Kategorien von Bekleidungsprodukten nach Produktgruppen sowie der Faseridentifizierung werden digitale Informationstechnologien und Sensoren testweise eingesetzt und erprobt, um Sortier- und Recyclingprozesse zukünftig datenbasiert zu optimieren. 


  • Der Text wurde angelehnt an die 2022 eingereichte Abschlussarbeit von Frederike Hainke (betreut durch Prof. Romy Morana und Ulrike Reinhardt) und die 2023 eingereichte Abschlussarbeit von Marie Straßberger (betreut durch Prof. Monika Fuchs und Frederike Hainke) aus dem Studiengang der Bekleidungstechnik/Konfektion an der HTW Berlin.
  • Fairwertung 2022
    Fairwertung 2022: Sammlungen; Online abrufbar (zuletzt aufgerufen am 29.05.2024)

  • KrWG 2012
    KrWG (2012): Kreislaufwirtschaftsgesetz. Online abrufbar (zuletzt aufgerufen am 30.05.2024)

  • Textilbündnis 2023
    Bündnis für nachhaltige Textilien 2023: Online abrufbar (zuletzt aufgerufen am 29.05.2024)

  • Zukunftsinstitut 2021
    Zukunftsinstitut GmbH (2021): Die Magetrend-Map. Online abrufbar (zuletzt aufgerufen am 29.05.2024)